Zukunftsstiftung Landwirtschaft im Dialog –
Die Schöpfung bewahren
Oliver Willing ist Geschäftsführer der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Er studierte Philosophie und Theologie und absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Landwirt. Nur scheinbar ein Widerspruch. Als Geschäftsführer der Zukunftsstiftung Landwirtschaft fördert er Initiativen, die sich für die Stärkung und Weiterentwicklung der ökologischen Landwirtschaft einsetzen – unter anderem gehört auch der Saatgutfonds zur Stiftung. Die Landwirtschaft von heute muss sich zahlreichen Herausforderungen stellen: Der Herstellung gesunder Lebensmittel, artgerechter Tierhaltung, dem Schutz und der Pflege von Naturräumen u.v.m. Der von der Zukunftsstiftung unterstützte ökologische Landbau bietet die Möglichkeit, diesen Anforderungen gerecht zu werde – für eine Landwirtschaft mit Zukunft und die Bewahrung der Schöpfung.
Zunächst einmal ganz, ganz herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren Saatgutfonds! Was waren die größten Herausforderungen in dieser Zeit?
Eine Herausforderung ist sicher, das Spendenvolumen jährlich möglichst zu erhöhen, aber wenigstens zu halten. Andernfalls müssten Projekte gestoppt werden. Gerade die Züchtungsforschung und -entwicklung ist auf langfristige Unterstützung angewiesen. Die Entwicklung einer Sorte dauert 10 Jahre und kostet 100.000 € pro Jahr.
Die andere Herausforderung ist die Gentechnik, schon seit Beginn. Aus guten Gründen will der Ökolandbau keine Gentechnik. Doch gerade Saatgut, das gentechnisch verändert wurde, ist da eine Art trojanisches Pferd. Und in der Folge von neuen Gentechnikverfahren wie CrispR-CAS soll nun die Gentechnikgesetzgebung „dereguliert“ werden und die Kennzeichnung wegfallen. Die „Nicht-Kennzeichnung“ ist das Damokles-Schwert für den Ökolandbau. Bevor diese kommt, müssen wir eine möglichst breite Basis an Sorten aller Kulturarten in den Ökozuchtgärten stehen haben.
Vielfalt ist gewissermaßen ein „Kern“anliegen beim Saatgutfonds. Was können wir in Sachen Diversität und Vielfalt von Saatgutzüchtern lernen?
Im Grunde: Vielfalt erhöht die Resilienz, also die Anpassungsfähigkeit auch in schwierigen Situationen, wie extremen Wetterlagen. Daher werden nun auch sogenannte Populationssorten entwickelt; das sind Sorten, die in den Sortenmerkmalen nicht so einheitlich sind. Und grundsätzlich kann man ja sagen: eine blumen- und kräuterreiche Wiese erfreut die Seele.
„Der Erde den Hof machen“. Ein wundervolles Wortspiel. Wie können wir die Erde für uns (zurück)gewinnen und welche Haltung braucht es dazu?
Ich denke, da kommt es auf die innere Haltung eines jeden an. Demut und Achtsamkeit sind ganz sicher bessere Ratgeber als die Hybris der Beherrschung und gewinnstrebender Manipulationswille. Vielleicht ist es ganz einfach, man muss sich für die Erde begeistern. Wenn man sich nicht für sie begeistern kann, dann wird man sie auch nicht lieben. Und wenn ich einen Partner, ein Gegenüber nicht liebe, dann werde ich ihm auch nicht den Hof machen!
Zurück in die Zukunft. Kleinbäuerlicher Anbau und alte Obst- und Gemüsesorten sind die Zukunft der Landwirtschaft. Aber wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Und was braucht es, um junge Menschen für diese Arbeit zu begeistern?
Einspruch Euer Ehren! Es sind auch die neuen Obst- und Gemüsesorten – nämlich die, die vom Menschen begleitet weiterentwickelt wurden. Wir sind im Grunde in einem fortwährenden gemeinsamen Entwicklungsprozess – Mensch und Kulturpflanze. So wie sich der Mensch entwickelt und neue Verhältnisse entstehen, so müssen auch die Kulturpflanzen mit entwickelt werden.
Erfreulicherweise begeistern sich immer mehr junge Menschen für die ökologische Züchtungsarbeit. Gerade weil es in der Ökozüchtung nicht darum geht, die Pflanze „herzurichten“, sondern es geht darum, in ein Gespräch mit der Pflanze zu kommen. Züchter:innen, die so arbeiten, begeistern dann auch junge Menschen. Und natürlich brauchen wir auch Geld, damit den jungen Züchter:innen ein ausreichendes Auskommen gewährleistet werden kann.
Der Saatgutfonds feiert 25. Geburtstag, die Neuguss 50. Wo liegen die größten Herausforderungen der nächsten 25 Jahre für den Saatgutfonds?
Es gibt viele Herausforderungen. Die vorhin (unter 1.) genannten werden uns weiter begleiten. Eine weitere Herausforderung ist sicher, die schon entwickelten Sorten noch breiter in den Anbau zu bringen. Und für eine gute Qualität (Geschmack, Inhaltsstoffe, innere Qualität) müssen die Bauern oder Gärtnerinnen auch einen höheren Preis erhalten. Denn der Ertrag liegt etwas niedriger.
Wie gelingt Beziehungsarbeit in der Stiftung, und welche Qualität hat die Neuguss dazu beigetragen?
Beziehung gelingt meist in Verbindung mit Freiheit. Die Zukunftsstiftung ist Teil der GLS Treuhand. Und die Neuguss steht in enger Verbindung zur GLS Treuhand. Hier durchdringen sich die Bereiche unternehmerische Tätigkeit und gemeinnützige Tätigkeit im idealen Fall wie bei einer Lemniskate. Von außen nach innen, vom physischen zum geistigen und zurück. Treuhand und Neuguss haben quasi daraus einen fruchtbaren Boden gebildet, auf dem viele weitere gemeinnützige Unternehmungen sich frei entwickeln konnten. Auf diesem Boden und in diesem Umfeld konnte sich die Zukunftsstiftung Landwirtschaft hervorragend entwickeln.
„Einfach machen“ – Was wäre Ihr nächstes Projekt, wenn Sie jegliche Freiheit dazu hätten?
Da gibt es natürlich viele Ideen. Eine sei hier genannt: Jede Schule in Deutschland sollte mit einem Biobauernhof oder einem Schulbauernhof kooperieren. Oder wenigstens über einen größeren Schulgarten verfügen. Kinder und Jugendliche sollten früh Pflanzen und Tieren begegnen, mit allen Sinnen erleben, woher unsere Lebensmittel kommen und welche Wunder damit verbunden sind! Das ist dann eine gute Grundlage für eine Generation, die der Erde den Hof machen wird.