50 Jahre: 1972 - 2022
Geschichten zum Neuguss-Jubiläum
In Beziehung sein – Geschichten zum Jubiläum

Das Haus als

Begegnungs- und Herzensraum

Seit der Mensch sesshaft geworden ist und sich ums Feuer herum einen Lebensort definiert hat, begann er ebenso, sein Umfeld zu kultivieren. Zunächst indem er Ackerbau betrieb und sich somit vom reinen Jäger und Sammler auch zum Gestalter und Entwickler seines Lebensraumes gemausert hat. Durch den Anbau seiner eigenen Lebensmittel hat sich der Mensch eine gewisse Unabhängigkeit geschaffen. Interessant ist hierbei, dass er sich ebendiese genau durch eine Festlegung (nämlich auf einen Ort) erworben hat. Nur scheinbar ein Paradox.

Das Selbstgestaltende, Schaffende war zunächst auf die ureigensten Grundbedürfnisse ausgerichtet, also die Versorgung mit Nahrungsmitteln. (Dass Kultur zuallererst auf dem Acker stattgefunden hat, ist in vielen Köpfen leider in Vergessenheit geraten.) Später kam der künstlerische Ausdruck von Werten und Haltung hinzu – Kunst, Musik aber auch Gesellschaft und Soziales gehören hierzu. Dieses Streben nach Unabhängigkeit einerseits, aber auch das Schaffen andererseits scheinen dem Menschen „eingeboren“. Gerade in der kürzeren Vergangenheit verlagerte sich das künstlerische, kulturelle Schaffen allerdings immer mehr nach außen – in Museen, Konzerthäuser, Ateliers, denen noch am ehesten ein häuslicher, intimer Charakter zugesprochen werden kann. Kunst, Kultur, Musik, aber auch gesellschaftliche, soziale Gestaltung wurden vom Lebensraum getrennt und an einen neutralen Ort verlegt. Dies war sicherlich auch den immer kleiner werdenden familiären Zusammenhängen geschuldet. Gemeinschaft fand in größeren Dimensionen und damit zwangsläufig nicht mehr im kleiner werdenden Heim statt.

Hans Stockmar wurde am 17. März 1890 in Sydney geboren und verbrachte seine ersten Schuljahre in Kairo, San Francisco, London und Montreux. Seine kaufmännische Lehre in Bremen brach er seinen Idealen und inneren Impulsen folgend ab und erlebte in der Schauspielschule in Berlin wohl erstmalig so etwas wie eine seelische „Heimat“. Mit seiner späteren Frau Vilma wanderte er nach einem kurzen Besuch einer Landwirtschaftsschule nach Neuseeland aus, wo er eine Großimkerei aufbaute. Zeitgleich lernt Stockmar die Anthroposophie kennen, und später zieht die Familie dann zurück nach Deutschland, um den Kindern den Besuch einer dortigen Schule zu ermöglichen. Nach dem sehr bewegten ersten Lebensabschnitt fand Stockmar dann in Kaltenkirchen eine wirkliche Verortung. In der Folge entwickelten sich Wohnhaus und Wachsschmelze auch zu einem kulturellen Quellort. Die Familie Stockmar bot in ihrem Wohnhaus nicht nur vielfältige Begegnungsräume und ein reiches Kulturleben (Lesungen, Vorträge, aber auch das vom Ehepaar Stockmar geliebte Theater). Auch auf den Arbeitsraum übertrug sich dieses reiche kulturelle (Er-)Leben. Von Stockmar selbst verfasste Theaterstücke wurden dann auch unter tatkräftiger Mithilfe von Nachbarn und Kolleg:innen zur Aufführung gebracht. Quelle dieses kulturellen Schaffens war die Anthroposophie, und so beschränkten sich Gestaltung und Entwicklung in Wohnhaus und Werkstatt nicht nur auf die schönen Künste. Auch gesellschaftliche, soziale und spirituelle Fragen hatten hier wie dort ihren Raum. Und auch heute noch wird bei STOCKMAR in Kaltenkirchen den Mitarbeiter:innen neben einem künstlerischen Angebot auch Raum für Mitgestaltungs- und Entwicklungsfragen ganz bewusst ermöglicht. Seit ein paar Jahren gibt es sogar einen eigens dafür geschaffenen Raum im Unternehmen – den Think Tank. Gestaltung, Entwicklung, Unabhängigkeit einerseits und Verortung andererseits sind eben keine Gegensätze. Möglicherweise braucht es genau diesen einen Anker, diesen Ort gemeinsamer Werte, um frei zu sein für kulturelles Schaffen.